Bei uns gibt es keinen Tag ohne Philadelphia. Ob mit Wurst oder Käse, pur oder mit Marmelade. Es steht immer eine Packung auf dem Esstisch und ein großer Vorrat liegt im Kellerkühlschrank bereit. Denn ohne Philadelphia kann unsere Tochter nicht leben.
Keinen Tag ohne Philadelphia. Nun meine ich nicht mehr den berühmten Frischkäse und auch nicht die Stadt in Pennsylvania. Ich meine die ursprüngliche Bedeutung des alt-griechischen Wortes: Philadelphia, die geschwisterliche Liebe zwischen den Menschen. Im morgigen Predigttext spielt sie, die Philadelphia, eine zentrale Rolle (Hebräer 13, 1-3). Sie ermutigt uns das Leben unserer Mitmenschen auf liebevolle und geschwisterliche Weise in den Blick zu nehmen. Sie fordert uns dazu auf, über den eigenen Tellerrand zu blicken und ungewohnte Wege zu gehen. Sie lädt uns dazu ein, bekannte und unbekannte Menschen immer wieder neu kennenzulernen, einzuladen und willkommen zu heißen. Sie ermahnt uns, mitzufühlen, mitzudenken und geschwisterlich zu handeln.
Wenn wir uns für den Blick der Philadelphia, der geschwisterlichen Liebe, öffnen, können wir nicht nur unsere Mitmenschen, sondern auch uns selbst mit anderen Augen sehen. Mit diesem Blick kann auch ein Umdenken leichter gelingen. Wir Menschen sind nicht frei von Vorurteilen, Konkurrenzdenken, Sorgen und Zukunftsängsten. Streit und Missgunst kommt in den besten Familienvor, auch in christlichen. Die Philadelphia ist eine innere Haltung. Sie ist das Bewusstsein: “Ich bin nicht allein auf der Welt.” Das bedeutet zweierlei: Ich muss zum einen nicht alles allein schaffen, ich darf getrost Dinge, die mich sorgen und belasten anderen überlassen und anvertrauen. Zugleich bin ich aber auch für mich und andere verantwortlich. Die Philadelphia wirkt in viele Richtungen, sie kanndabei helfen über den eigenen Schatten zu springen, Vorurteile, Konkurrenzdenken und Verlustängste zu überwinden. Wer sich für die Philadelphia öffnet, dem kann es passieren, dass er, ohne es zu wissen, Engel beherbergt. So berichtet es der Predigttext im dritten Vers. Er spielt auf die Geschichte von Abraham und den Männern zu Mamre an (1. Mose 18). Abraham weiß nicht, dass er Gottes Boten beherbergt. Die Fremden bringen wunderbare und unglaubliche Neuigkeiten: Abraham und Sara werden ein Kind bekommen. Glück, Segen und Freude sind ab dieser Begegnung lange die Wegbegleiter des Paares.
Keinen Tag ohne Philadelphia. Keinen Tag ohne geschwisterliche Liebe. Warum diesen Satz nicht einmal wörtlich nehmen? Ich bin davon überzeugt unser Miteinander wäre ein Besseres, wenn wir uns jeden Morgen und auch zwischendurch die Philadelphia aufs Butterbrot des Lebens schmieren würden. Und wenn wir uns einen unerschöpflichen Vorrat der geschwisterlichen Liebe für gute und schlechte Zeiten im Keller unserer Seele bereithielten. Hamstern wäre in diesem Falle auf jeden Fall erlaubt und sogar erwünscht. Jeden Tag zumindest den Versuch zu wagen den Blick für die Philadelphia zu öffnen. Und wer weiß, vielleicht halten wir beim nächsten Mal, wenn wir am Kühlregal vorbeilaufen einmal kurz inne und denken an Philadelphia, die geschwisterliche Liebe . Vielleicht wird der Gedanke an sie etwas verändern. Vielleicht wird sie sogar beim langen Warten an der Supermarktkasse ungeahnte Gespräche mit sich bringen. Ich wünsche Ihnen schöne Begegnungen miteinander!
Ich bin steinreich. Ja, Sie haben richtig gelesen! Aber nicht etwa, dass ich im Lotto gewonnen hätte oder eine beträchtliche Erbschaft mein Eigen nennen darf. Sondern: ich besitze Steine. Gesammelte Steine. Selbst gesammelte.
Diese Tätigkeit, diese Leidenschaft – ja man könnte fast sagen: diese Sucht – ergreift mich eigentlich jedes Mal im Urlaub am Meer. Ich kann einfach nicht anders. Ich muss sammeln. Und wenn ich erst einmal angefangen habe, kann ich nicht wieder aufhören. „Oh, schau mal: dieser. So rund und glatt.“ „Boah und dieser: was für eine Farbe. Fast wie Bernstein.“ Und jener dort muss natürlich auch mit. Bei dem lustig gesprenkelten Muster... Und so geht es weiter. Ich gestehe, dass mein Blick für die weitere Natur – für das Meer, den Himmel, den Horizont – auf diese Weise etwas zu kurz kommt. Aber das ist egal. Ich bin glücklich. Und den Rest der Familie hat diese Freude ebenfalls bereits ergriffen.
Steine sammeln – ein sinnloses Hobby? Vielleicht ja – aber gerade deshalb ist es vielleicht so wunderbar. Wer braucht schon Steine? Und so ertappe ich mich nach einiger Zeit selbst erstaunt dabei, wie ich auf einmal auch auf Kieswegen und ähnlichem zu suchen beginne. Doch mit einem Mal verliert genau dort die Suche ihren Reiz. Hier scheint es jede Form von Steinen in Hülle und Fülle zu geben. Der Reiz des Besonderen, die Lust der eigenen Entdeckung geht verloren. Ich bin wieder an Land.
Steine sammeln – ein sinnloses Hobby? Ganz im Gegenteil! Es ist ein Glück und ein Segen, wann immer diese Leidenschaft erwacht. Ob nun am Strand, in den Bergen oder anderswo. Steine sammeln lässt der kindlichen, naiven Freude am Schönen ihren Lauf. Steine sammeln übt den Blick für das scheinbar Unscheinbare unserer Welt, lehrt das Besondere neu erkennen. Steine sammeln heißt das wahrzunehmen, was sonst so oft unentdeckt bleibt: Farben, Formen, Muster, Rundungen, die besonderen Ecken und Kanten.
Ein wertschätzender Blick, der uns auch im Alltag manches Mal gut täte. Die Schönheit des Lebens als Miniaturbild in Szene gesetzt: Meine Umwelt, die Anderen, ich selbst. Wie ein Stein, den Gott selbst jeden morgen neu und kostbar ans Land spült. Hierauf lohnt es sich zu konzentrieren, nicht nur im Urlaub.
So höre ich gerne den wellenden Worten beim Prediger Salomo zu: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit [...]; Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit“.
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